Früher wollte ich immer 32 sein. Ich war 15, und der Sänger einer Band, die ich mochte, war 32. Ich fand es unfair, dass ich noch so jung war und alle dachten, mit 15 sei man naiv und interessiere sich nur für Take That oder Schminke. Ich glaubte, mit 32, da ist man erwachsen und hat immer den selben Haarschnitt, weil man weiß was einem gefällt und braucht keine Kleider mehr zu kaufen, denn man hat ja dann einen Stil und verändert sich nicht mehr groß. Und ich glaubte, man trinkt gerne Sekt und belächelt die 15jährigen dieser Welt. Und man würde stets ernst genommen werden. Und dass alle 32 jährigen in einer Art Geheimbund waren und sich verstanden, nett zueinander waren und sich erwachsen fühlten. Alles was ich sein wollte: 32.
Ich habe gechattet, Metropolis hieß die Seite damals. Sie wurde in einer Computerzeitschrift empfohlen und war das erste, was ich damals ausprobiert habe. Eigentlich wollte ich gar keinen Computer, und als ein Mann, der schon immer gerne sein Halbwissen als allgemeingültige Wahrheit hinstellte, mir mit meinen 12 Jahren erklärte, dass man eine neue Sprache lernen müsse, um Computer bedienen zu können (die Computersprache nämlich) habe ich geweint und wollte gar keinen Computer haben. Ich wusste von schwarzen Bildschirmen und DOS – Eingaben, wie die, die mein Opa auf einer Liste stehen hatte, um das Bestellsystem in seinem Laden zum Laufen zu bringen. Fünfmal F4, Dann Enter, F8 usw. Druckte. Ich habe gerne gedruckt. Das hat so witzige Geräusche gemacht und auf das Papier konnte ich anschließend malen. Man musste eben nur die grünen Linien ausblenden, oder einfach einbauen. Aber was sollte ich mit so einem Teil?
Und dann hatten wir eben einen eigenen Computer. Ich war ganz schön erleichtert, dass wir den selbst anschließen konnten, und nachdem ich Kunstwerke in Paint gemalt hatte und ich es beim beiliegenden 3D-Spiel nicht weiter als zu Level 1 geschafft hatte, gab es irgendwann auch Internet.
Ich nannte mich schlagzeugerin32 weil ich ein paar Monate Schlagzeugunterricht hatte und der Meinung war, dass andere Sachen wie tanzen oder Vereine nix für mich sind. Lieber wollte ich kein Teeniemädchen sein, wenn das schon niemand nachprüfen konnte. Und mein Schlagzeuglehrer nahm mich auch halbwegs ernst, glaube ich. Immerhin bin ich heute noch auf Facebook mit ihm befreundet. Ich konnte mir eine Zukunft als Rockstar doch besser vorstellen als eine in Faltenrock im Büro. Die meisten Teeniemädchen fand ich nämlich oberflächlich, albern und doof. Rückblickend war ich nichts anderes, natürlich. Und wenn ich Filme sehe, die ich mit 15 im Landschulheim gedreht habe, dann ist das so peinlich, dass sich das niemand vorstellen kann. 15 eben! Die Leute im Chat dachten jedenfalls relativ lange, ich sei 32 und als ich einem, der zwar um mein Alter wusste, aber wohl noch immer das Bild einer Barbie im Kopf hatte das Schulfotografenfoto mit der Webcam abfotografierte, meldete er sich nicht mehr. Dann habe ich es auch bald sein lassen, 32 sein zu wollen und wurde stattdessen regulär 16 und 17 und vergaß die 32.
Tja, seit gestern bin ich 32. Aber ich mag noch immer keinen Sekt, Schlagzeug spiele ich leider nicht mehr. Faltenröcke trage ich zum Glück auch nicht, aber erwachsen fühle ich mich auch kein bisschen. Klar, wenn ich zum dritten mal sage, räum bitte endlich dein Zimmer auf oder die Augen verdrehe, weil Besuch es nicht hinbekommt, den Klodeckel zuzumachen. Oder wenn ich Mahnungen an Kunden schreiben muss oder Dinge regle wie Kindergartenplatzzusagen, Fahrradhelme kaufen, Kalender nicht verlieren oder Einkaufszettel schreiben -da denke ich schon, dass ich ein bisschen mehr erwachsen bin als zum Beispiel noch ohne Kind. Oder ohne Ausbildung. Oder ohne Schulabschluss. Und so weiter.In einem Geheimbund wo sich alle grüßen bin ich auch nur, wenn ich in meinem Auto sitze, denn wenigstens PT Cruiser-Fahrer grüßen sich gegenseitig.
Aber dass ich mal verheiratet bin und ein Kind habe, konnte ich mir nicht vorstellen. Klar, ich wollte immer Kinder, aber wie das sein wird oder wann oder mit wem? Sowas habe ich mir eigentlich nie ausgemalt. So konnte ich es mir schon sparen, auf Boyband- Konzerten Plakate mit “ich will ein Kind von dir” hochzuhalten.
Auf jeden Fall ist alles prima so. Also 32 zu sein, meine ich. Und so, wie es ist.Und 15 will ich wirklich nicht mehr sein.
Ich bin auch keine von denen, die ihr Alter nicht verrät oder nicht gerne älter wird. Klar, irgendwann wäre es schon nett, wenn es aufhören würde, dieses älter werden. Ich habe früher immer gedacht, ich sei eine Ausnahme. Bei allem. Und bis ich älter wäre, sei bestimmt auch etwas gegen das Altern erfunden. Leider hat das aber scheinbar doch noch keiner erfunden. Okay, wenn man manchen Verschwörungstheorien glaubt, ist Keanu Reeves zum Beispiel unsterblich. Aber man kann halt nicht alles haben. Kein Ding, mit meinen Falten kann ich umgehen, und ich habe nicht das Bedürfnis, ewig jugendliche Haut zu haben. Oder wie ein wandelndes Skelett mit zurückgetackerter Haut mit 60 behaupten, ich sehe aus wie 40. Das tut keiner, und die, die es zwanghaft versuchen, tun mir eher leid. Das einzige, was ich mir mit Photoshop manchmal wegretuschiere sind Speckrollen am Kinn oder Bauch, aber meine wenigen Falten und besonders die Lachfalten sind echt okay.
Wie auch immer, was ich ursprünglich sagen wollte: Vielen Dank für all die lieben Nachrichten, Glückwünsche und so weiter. Es hat mich so gefreut, wer alles an mich gedacht hat, und auch halbwegs unbekannte Menschen, die mich vom Blog oder Twitter kennen, waren so lieb und herzlich. Danke!!!
Ich probiere das jetzt mal ein Jahr lang aus, dieses zweiunddreißig sein.
du klingst glücklich und angekommen in deinem Leben, da spielt das Alter dann eh keine Rolle mehr. Eine schöne Liebeserklärung an die 32! Alles Gute nachträglich!!
Ich wünsch dir auch nachträglich alles, alles Liebe zum Geburtstag ! Ich finde deine Gedanken in diesem Post einfach wundervoll =) Und so schöne Fotos von dir =)
Oh – alles, alles Liebe nachträglich zum Geburtstag…und Du hast Recht. Älter werden tut nicht weh…auch mit Ende 30 (ja, so alt bin ich tatsächlich schon) fühle ich mich noch nicht in allen Dingen erwachsen. Ist doch schön, wenn wir uns dieses Gefühl erhalten können, oder?
Liebe Grüße, Anna
Eine tolle Hymne an das glückliche Leben 🙂 Alles gute und schöne Zeit!
Viele Grüße aus München
Dominika
und auch mit 32 siehst du verdammt gut aus 😉