Als ich noch im sozialen Bereich gearbeitet habe, haben oft Menschen gefragt: “Wieso musst du Weihnachten* (*nachts/feiertags/wochenends) arbeiten?” Meist habe ich dann etwas in der Art geantwortet: “Weil die Menschen, mit denen ich arbeite, auch am Wochende Hilfe brauchen.” Oder: “Weil diese Kinder auch wochenends nicht damit aufhören, behindert zu sein.” Das klingt vielleicht ein bisschen makaber, aber das ist auch eine Art Humor, den man sich in diesem Bereich früher oder später zulegen konnte.
Ich dachte damals, klar, wenn man nicht aus dem Bereich kommt, in dem Menschen Hilfe brauchen, mein Beruf heißt, auch mal Sonntag morgens um 7 jemanden in eine Klinik zu fahren weil es ihm gerade schlecht geht, oder dass schwerstbehinderte Kinder eben auch am Wochenende wie an jedem Tag Hilfe brauchen, dann kann man sich das nur schlecht vorstellen. Für viele heißt arbeiten ja montags bis freitags, schlimmstenfalls sonntags. Ich dachte oft auf dem Weg zur Arbeit oder zurück an Radiomoderatoren, Ärzte, Tankstellenangestellte, Piloten, Krankenschwestern, Krankenhausküchenmitarbeiter, Schichtarbeiter an irgendwelchen Fließbändern, etc, pp, und dass das ja nun gar nicht mal soooo seltene oder gar irrelevante Berufe sind. Es war immer ein beruhigendes Gefühl, nicht ganz alleine am Sonntag Morgen um 6 auf dem Weg zur Arbeit zu sein. Aber doch stieß man immer wieder auf staunende Gesichter, wenn man eben auf Geburtstagen nicht sein konnte, weil man eben Schichten nicht tauschen konnte.
Ja, das war damals, zuletzt dann 3,5 Jahre her. In meiner letzten Anstellung hatte ich nicht mehr so häufig Wochenenddienste, aber im Laufe meines Berufslebens war das eben ganz normal geworden. Mittlerweile stehe ich ja auf eigenen Beinen, und dann denkt man ja immer automatisch: “Voll toll, die kann sich ihre Zeit selbst einteilen!” Ja, ich selbst habe so auch lange gedacht, wenn ich hörte, jemand sei selbsändig. Theoretisch kann ich das. praktisch arbeite ich gut und gerne mal wesentlich mehr, als ich das zuvor mit einer 40 Stunden Woche getan habe. Okay, ich bin ja gerade auch am Aufbauen, am Einrichten, am Zurechtfinden, und in 8 Tagen (ACHT!) bekomme ich den Schlüssel für mein kleines Atelier. Etwas, von dem ich vor einem Jahr noch nicht mal im Traum dran denken wollte. Da war ich nämlich ganz schön unsicher, was 2015 bringen würde. Zurück in meinen Job? Mich trauen und es ausprobieren? Auf die Nase fallen? Tja, und nun stehe ich hier, überweise Kautionen, habe Betriebsinhaltsversicherungen (von deren Existenz ich vor einigen Tagen nicht mal wusste), statt beim Filme schauen am Abend die Füße hoch zu legen streiche ich Rechnungsbeträge auf Quittungen an, und statt Familiensonntage zu verbringen sitze ich am Rechner und erstelle Last-Minute-Fotobücher für Kunden (die ausnahmsweise, gaaaanz dringend noch vor Weihnachten fertig werden müssen!). Also irgendwie auch nicht mehr vom Wochenende als mit Festanstellung.
Dieses Jahr habe ich sogar so viel gearbeitet, dass ich in einer Hebammenpraxis Bilder auf Dankeskarten hängen sah und erschrocken bin. Da hat jemand ganz genau meine Körbchen! Haargenau Meine Deckchen! Arbeitet genauso mit Gegenlicht! Die selbe Farbgebung und Bearbeitungsstil! Ein bisschen weicher als meine Bilder, sehr schönes Licht… dann macht die oder der das auch noch ein bisschen besser! Ohne dass ich weiß, welcher Kollege das ist… unglaublich! Eine Woche lang hatte ich ein bisschen Bauchweh und war traurig, hab mich um mein Alleinstellungsmerkmal gesorgt, bis ich letztendlich zufällig raus bekam, dass… ja, die Bilder waren von mir. Ich selbst war die Kollegin, die ein Tick besser war als ich selbst. Ich habe tatsächlich vergessen, dass ich diese Bilder selbst gemacht hatte. Okay, und ich war ein bisschen stolz, dass mir meine eigenen Bilder besser gefielen als meine eigenen. Ähhh….. Vielleicht sollte ich doch mal mehr als 10 Tage frei nehmen 😉 Aber ich bemerkte: Es ist nicht mehr ein kleiner Nebenberuf. ich mache das täglich, es ist Routine und ich behalte (leider) auch nicht mehr jeden Arbeitstag in perfekter Erinnerung.
Ich will mich auch keinesfalls beklagen, ich habe diesen Weg gewählt, nicht ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse. Ich wusste, dass ich mehr arbeiten werde als zuvor, dass ich anders arbeiten werde, dass ich mich auch sehr wenig zurücknehmen will, und wenn ich meinen Ruf und namen behalten will, das nicht funktioniert, wenn ich mich nicht aktiv darum bemühe.
Dass ich selbst lernen sollte, könnte, müsste, Grenzen zu setzen und Ruhezeiten einzuplanen, ist das eine, aber heute möchte ich Euch auch mal aus Dienstleistersicht erzählen, wie das so läuft. Wie gesagt, die Wochenenden arbeite ich genauso, wenn Dinge fertig werden müssen. Und Dinge müssen immer fertig werden. Ich lasse Kunden ungern warten, auch wenn ich KÖNNTE, denn theoretisch kann ich mir meine Zeit ja einteilen… Aber auch wenn ich zu Kunden sage, die Bilder brauchen ca. 4 Wochen – wer wartet schon gerne 4 Wochen? Oder wenn ich weiß, dass ich ein paar Tage nicht arbeiten werde, weil Weihnachten der Familie gehört, dann muss ich die Arbeit eben “vorholen” statt “liegenlassen”. Ich möchte zufriedene Kunden haben, und die hätte ich nicht, wenn ich sage: “Aber da mach ich erstmal frei, also wartet mal schön 4 Wochen auf die Bilder.” … Das funktioniert für mich (!) einfach nicht. Ich kann dann auch nicht ruhig schlafen, oder in Ruhe auf dem Sofa nichts tun, wenn ich weiß: Da wartet noch Arbeit! In 3 Tagen ist Weihnachten, und ich habe noch einige Babys in “Warteschleife”, die nun Entbindungstermin haben. So genau kann man das ja nie voraussagen, darum lege ich mir einfach nur eine begrenzte Anzahl errechneter Termine in den Kalender, damit sich nicht alles überschneidet. Wobei es das sowieso macht – im Oktober zum Beispiel kamen in einer Woche gleich 7 Babys, die allesamt von 7 Wochen zu früh bis 14 Tage zu spät kamen, aber eben dennoch in der selben Woche 😉 Als hätten sie sich abgesprochen. Wie dem auch sei, aus dem Grund bitte ich Eltern mehrfach und ausdrücklich, bei Interesse bereits in der Schwangerschaft ungefähre (!) Termine mit mir zu besprechen, damit ich einfach planen kann. Sicher kommt es immer mal wieder vor, dass dann spontan noch gefragt wird, ob ich das eine oder andere Neugeborene nicht noch dazu nehmen könnte, wenn die Eltern erst im Krankenhaus vom Bettnachbarn oder Hebammen von mir erfahren und so weiter. Das ist jedenfalls eine Arbeit, die sehr wenig weit im Voraus plan- bzw. terminierbar ist, aber das ist in Ordnung. Meist sind die frischen Eltern sehr flexibel. Und ich hab mich auch dran gewöhnt.
So, nun steht Weihnachten an, und schon im November war ich für Weihnachtsfotos von Familien und Kindern ausgebucht. Das heißt, dass ich Termine vergeben habe – so viele wie zu bewältigen waren – mit der Garantie, dass die Bilder vor Weihnachten beim Kunden sein können. Stressfrei, mit Zeitpuffer für Post- oder Laborlieferverzögerungen (alle Jahre wieder!). Dennoch war das genug Stress, und ich habe es gerade so geschafft, die Aufträge ordentlich und gut auszuliefern. Ich selbst habe es am 19.12. zum ersten Mal auf den Weihnachtsmarkt geschafft, und das auch nur weil er bis 22 Uhr geöffnet hatte… In der Stadt ist die Warteschlange vom Parkhaus länger wie eine Langstreckenflugzeuglandebahn, vor der Post wartet man 18 Minuten auf einen Parkplatz, fürs Fahrrad sind wir allerdings allesamt zu krank, denn Zeit zu genesen hatten wir alle drei noch nicht so richtig seit November, auf dem Weihnachtsmarkt werden Kinder in vorweihnachtlicher Panik zur Seite geschubst weil man plötzlich merkt: “Weihnachten! Es ist ja bald Weihnachten! Mir bleibt keine Zeit mehr für… ja, für was eigentlich… egal, hauptsache Drängeln, stänkern, seufzen!” Also, wie gesagt, ich habe die letzten Aufträge vor Weihnachten abgeschlossen, verpackt, verschickt, gebrannt, entwickelt, übergeben, Rechnungen geschrieben und Steuer sortiert, damit diese Sache mit dem “besinnlichen” vielleicht doch mal langsam loslegen kann. So ein Fotoshooting dauert in der Regel 2-3 Wochen, bis die Bilder gesichtet, sortiert sind, online zur Auswahl bereit stehen, dann ausgesucht werden, retuschiert werden, entwickelt sind und letztendlich gebrannt, verpackt und übergeben (oder verschickt) werden können. So. Social media ist auch nicht zu verachten,also plant mn auf Facebook noch ein paar Bilder zur Veröffentlichung ein, denn man will ja nicht, dass sich die Seitenfans zu Tode langweilen und abspringen, weil sie das gefühl haben, man kümmert sich nicht mehr um die Seite… All diese Vorarbeit habe ich geleistet, damit ich 10 Tage lang offiziell mal frei machen kann, Wochenenden und Feiertage schon mit ein gerechnet, die ja hierzulande wie oben schon gesagt meist als frei vorausgesetzt werden. Naja, meist, dazu unten mehr. Frei machen kann ich nur ohne Arbeit im Nacken oder unruhig Däumchendrehende Kunden in meinen Gedanken. “Offiziell frei” beinhaltet aber nicht die Neugeborenen, die da irgendwann in der Zeit noch geboren werden und deren Bilder ich fest zugesagt habe. “Offiziell frei” beinhaltet auch das Einrichten meines Fotoateliers, was ja sicher auch an einem halben Tag erledigt sein wird (NICHT!). Aber es ist nun mal Zeit, die ich nicht an Aufträgen arbeiten kann, ob vor Ort oder am PC.
Nichtsdestotrotz sammeln sich in diesen letzten Vorweihnachtstagen die Emails und Anrufe an – und das lustigerweise ganz paradox: Je näher an Weihnachten, sollte man ja meinen, ist dann jedem mal eingefallen, was er so schenken will. Aber nein! Je näher Weihnachten rückt, desto mehr flattern mir diese Anfragen ins Haus: “Wir bräuchten noch dringend Weihnachtsfotos! Jetzt! Können Sie uns nicht dazwischen schieben?” … oder: “Wir hatten vor 3 Monaten unser Fotoshooting, und noch keine Bilder ausgewählt. Jetzt brauchen wir die aber dringend bis morgen.” … “Unser Kind kam gestern, wir sind uns sicher, Sie finden noch einen Termin für uns, es sind ja schließlich nun Feiertage an denen Sie bestimmt sowieso nicht so viele Kunden haben!” … “Wir bekommen Weihnachten Besuch, den wir selten sehen. Können Sie Heiligabend um 14 Uhr ein Foto machen, eins reicht auch völlig, es soll ja auch nicht teuer sein, und das dann sofort bearbeiten und ausdrucken? Nur eins, damit es nicht viel kostet!” … (Leute ich schwöre! Diese Mail habe ich tatsächlich bekommen!)
Es tut mir sehr leid und ich schicke Kunden auch nur äußerst ungern weg… Aber nein, das ist leider wirklich nicht möglich. Es ist so schade, dass Kunden denken, das bisschen Knipsen ist doch in 2 Minuten erledigt. Und die Bilder könne man dann sowieso im dm kurz ausdrucken… Da blutet mein Herz dann ja sowieso. Eine Kollegin schrieb mal, wer einen Mercedes an Fotos kauft, der geht doch auch nicht zum Ölwechsel zu ALDI, oder?
ich freue mich, dass mir die Kunden die Bude einrennen! Das ist toll, das bestätigt mich darin, das richtige entschieden zu haben, und dass 2016 ganz toll werden wird! Ich freue mich auf tolle neue Kunden, Begegnungen mit Stammkunden und Wiederholungstätern, auf mein Atelier und noch mehr Arbeit! Auf die ersten Babys der 2015-er Hochzeiten, auf 2015-er Brautpaare, die ich auf Hochzeiten wieder treffen werde, weil sie dann auf einmal Gäste sind, ich freue mich auf jede Anfrage und jede Empfehlung.
Aber das sind nicht diese, meine, Kunden, die kurz vor Weihnachten anrufen oder schreiben. Das sind die, die alle Kollegen durchtelefonieren, unabhängig von Empfehlung, Stil, Geschmack oder Interesse. Es geht einfach nur ums gewünschte Endprodukt, und das kenne ich von “meinen” Kunden nunmal nicht. Neben meiner Verwunderung macht es mich ja auch ein ganz kleines bisschen traurig, weil es meine (und die der Kollegen!) Arbeit geringschätzt. Die Dreistigkeit in Tonfall und Wortlaut der Mails lassen einen dann schon stutzen. Als sei es etwas, das man nebenbei mal kurz machen könnte – als sei ich ein dressiertes Fotografenäffchen, das für Kunden jederzeit einzuspringen hat, wie ein Taxifahrer oder Dienstmädchen. Harry, hol’ schon mal den Wagen! Michelle, mach kurz ein Bild! Dabei bin ich doch immer sehr zuvorkommend und versuche, es allen so sehr recht zu machen, wie das nur irgendwie geht. Aber leider, leider kann ich nicht zaubern, und zum Glück habe ich selbst Familie, mit der ich gerne Zeit verbringe (gerne mehr zeit verbringen würde!) und bin nicht auf 10 € für einen 2 Stunden – Einsatz angewiesen (denn wenn ich den Spontanen dann meine Preisliste nenne, hat es sich meist sowieso ganz schnell erledigt.). Meist sind das auch noch Kunden, die am Ende nicht zufrieden sind. Das ist nicht geraten, das ist leider die Erfahrung der letzten Monate. Die, für die man sich mit 39Grad Fieber in den Wald stellt und sich nichts anmerken lässt, das sind die, die plötzlich doch ganz andere Dinge wollten als abgesprochen. Zum Beispiel keine Fotos mit Bäumen im Hintergrund. Kein Scherz!
Ich wundere mich, denn auf so eine Idee käme ich gar nicht. Oder ruft ihr beim Frisör an “Hallo, können Sie mir nicht kurz eine Frisur machen? Egal was für eine, nur 10 Minuten weil ich will auch nicht so viel zahlen, aber ich kann eben nur Heiligabend um 16 Uhr. Aber da haben Sie sonst doch sowieso keine anderen Kunden, also müsste das schon klappen, oder?”
Plant Eure Familienfotos in Ruhe. Führt sie in Ruhe aus. Bestellt sie in Ruhe. Ihr könnt auch Sommer- oder Herbstfotos Weihnachten verschenken. Das findet niemand verkehrt. Fotografen wie ich schon gar nicht! “Zeitlos” heißt das dann. Auf Weihnachtsgeschenken muss niemand eine rote Zipfelmütze tragen. Das sieht doch sonst sowieso komisch aus, wenn das Bild Ostern noch auf der Kommode steht, oder? Dann lieber neutral, in Ruhe, auf beiden Seiten, ohne Stress auf beiden Seiten. Genauso wie Anspannung, Stress und Zeitdruck wird man auch Gelassenheit den Bildern auch ansehen… Garantiert!
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